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Teaser: Painting Dhaka

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Painting Dhaka ist das neueste Vorhaben von Rocco und seine Brüder führt ihn nach Dhaka, wo er als Kunstlehrer mit Schulkindern Züge metern will. So soll das Selbstbewusstsein der Kids gestärkt werden und ihnen Kunst nahe gebracht werden.

Auf der Website von Painting Dhaka werden auch Spenden für das Projekt angenommen.

Bangladesh ist eines der ärmsten Länder der Erde und Dhaka, seine Hauptstadt, ein Monster; Eine niemals stillstehende Maschine, ein unwirtlicher Ort und Heimat von zwanzig Millionen Menschen, die in ihrer Stadt leben und irgendwann auch hier sterben werden. Fast die Hälfte lebt in illegalen Siedlungen. Einfachste Hütten, zusammengeflickt aus Stoff, Wellblech und Müll. Ein Mosaik aus Existenzen, Schicksalen und Überleben. Nein, hierher verirrt sich kein Tourist. Hierher kommen nur Menschen, die hier auch leben und arbeiten; Arbeiten für einen Hungerlohn, damit der Rest der Welt Kleidung, neue Turnschuhe und ein sorgenfreies Gewissen tragen kann.

Den Preis dafür zahlen andere; Menschen, denen ich hier in Dhaka auf meiner Reise begegnet bin. Menschen die mich schnell an ihrem Leben teilhaben lassen, obwohl wir uns wenige Minuten vorher nicht kannten. Familien mit Kindern, die lachen, spielen und zur Schule gehen. Hier habe ich
auch Babul Aminul Hoq kennengelernt. Babul ist Schuldirektor einer kleinen Slumschule, die wie eine Insel mitten im Meer aus Häusern, gedeckt mit Wellblech und Stoff, liegt. Und Babul ist Projektmanager von den German Doctors, eine deutsche NGO, die Schulen in Dhaka unterstützt.

Voller Stolz zeigt er mir den Ort, den er mit aufgebaut hat. Ein Ort der Zukunft, eine Zukunft die aus Bildung und Wissen besteht. Ein Ort, an dem Armut keine Rolle spielt. Hier ist jeder willkommen, hier darf jeder lernen. Der Schulbesuch ist kostenlos, inklusive einer warmen Mahlzeit und medizinischer Versorgung in einen der beiden kleinen Behandlungszimmer. Nur, dass diese Zimmer seit einiger Zeit nicht mehr betreten werden. Das Geld reicht nicht. 12 Dollar kostet es ein Kind für einen Monat mit Nahrung, Bildung und Kleidung zu versorgen, erzählt Babul. Aber auch das Geld ist nicht da. Die Zukunft der Schule ist ungewiss, die der Kinder noch viel ungewisser.

Das Schulgebäude liegt nur wenige Meter von den Gleisen entfernt. Alle paar Minuten rauscht ein Zug an der Schule vorbei. Noch dichter an den Gleisen stehen nur die Hütten der Bewohner, die mit jedem vorbeifahrenden Zug vibrieren und drohen einzustürzen. Die Siedlung ist bis an die Gleise
gewachsen, jeder Zentimeter Erde bebaut und belegt. Hier gibt es keinen Plan der Baubehörde, der Mindestabstände regelt, Sicherheitsvorgaben macht oder die Gehwegbreite vorschreibt. Das Leben, die Stadt, alles ist so anders in Dhaka als in Berlin, doch eins ist gleich: Das Geräusch der
vorbeifahrenden Bahn ist vertraut. Bis heute erinnert mich das Vorbeirauschen von Zügen, ganz egal wo auf der Welt, an die Zeit, als ich mit 14 Jahre meinen ersten Zug besprühte und merkte, dass ich mit der Sprühdose das erreiche, was im normalen Leben so schwer ist: Anerkennung, Selbstbewusstsein und ein lautes „Hallo hier bin ich“, das kurz danach durch die gesamte Stadt fährt und jedem zeigt, dass ich existiere.

Wenn ich eins in meinem Leben und auf Reisen gelernt habe, dann, dass Graffiti überall auf der Welt funktioniert. Aber auch in Dhaka? Funktioniert diese Kunstform auch in einem Land, in dem Menschen leben um zu überleben? Kann auch hier, wo Glück oft nur bedeutet, eine warme Mahlzeit
am Tag zu finden, Graffiti malen das Selbstbewusstsein stärken?

Ab Mitte Oktober werde ich in Dhaka an dieser Schule Kunst unterrichten. Zwei Monate lang werde ich das regelte Leben in Berlin gegen die 20 Millionen Stadt Dhaka eintauschen. Nicht ich werde sprühen, sondern die Kinder. Die Leinwände werden die Züge sein. Wagons, die jeden Tag nur
wenige Meter von der Schule vorbeirauschen, lebensbedrohlich nah und gleichzeitig doch so wichtig als Transitader für die Stadt. Gemeinsam mit den Schülern vor Ort entwickle ich das Konzept. Ein Konzept bei dem jeder Schüler einen Wagon bemalt. Mit Erlaubnis der Bangladesh Railway werden ab November diese Wagons durch Dhaka rollen und die Bilder und das Selbstbewusstsein der Kinder durch die 20 Millionen-Metropole tragen. Aus Kindern werden Künstler, die ihr zuhause ein Stück weit bunter und ihr Selbstbewusstsein stärken werden lassen.